Im Fokus: Apotheken in Deutschland

Wir haben Wolfgang Kempf e.K. – von der Rhein-Neckar-Apotheke –
zwei Fragen über die Herausforderungen im Jahr 2020 und
seine Erwartungen im Jahr 2021 gestellt.

 

 

Mit welchen besonderen Problemen waren Sie im Jahr 2020 neben Covid-19 konfrontiert? 
Die meiste Zeit war auch in den Apotheken von Corona geprägt. Gleichermaßen existenzgefährdend war für viele Apotheken die Insolvenz eines Apothekenrechenzentrums. Diese sind in Deutschland für die Rezeptabrechnung zwischen Versicherung und Apotheke zuständig. Praktisch über Nacht versiegten zustehende Abrechnungsgelder. Wie sich die Dinge entwickeln, wird wohl Sache der derzeit laufenden Verhandlungen und prozessualen Schritte sein. Zentrales Problem für den Versorgungsauftrag mit Arzneimitteln war aber die Nichtverfügbarkeit wichtiger Arzneimittel in den Apotheken, weil die Lieferkette nicht funktionierte.

Aufgrund der Rabattverträge und der daraus resultierenden Folgen für die nationale und europäische Pharmaindustrie sind wir in großer Abhängigkeit von Lieferanten aus dem fernen Osten. Defizite in Herstellungsprozessen und weitere Faktoren stoppten die Zulieferung. Wichtige Vorschriften wurden gelockert, damit die Apotheken trotz der Nichtverfügbarkeiten die Patienten zeitnah mit den notwendigen Arzneimitteln beliefern können.

Immer mehr gewinnen die Versandapotheken jenseits der deutschen Grenzen Marktanteile und stehen damit in großer Konkurrenz zu den Vor-Ort-Apotheken, deren Zahl im letzten Jahr überdurchschnittlich gesunken ist. Gründe für das Umsatzplus der Versandapotheken sind neben der Akquisemethoden und der aggressiven Preispolitik auch die gesetzliche Ungleichbehandlung der lokalen Apotheken im Vergleich zu den Versendern. Die jahrelange nachhaltige Forderung eines Rx-Versandverbotes konnte letztlich nicht realisiert werden. Heraus kam eine Light-Version, deren Folgen man derzeit noch nicht abschätzen kann.

 

Welche Herausforderungen sehen Sie für 2021?
Die Digitalisierung insgesamt gewinnt an Fahrt und macht auch vor den Apotheken nicht halt. So waren die Apotheken in der Pflicht, ihren Betrieb an die Telematikinfrastruktur anzubinden, um künftig das E-Rezept und Medikations-pläne bedienen zu können. Inwieweit in diesem Sektor die Versender nachhaltig in das System eingreifen werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist die Sorge groß, dass sich hier generell ein Systemwandel zu Ungunsten der deutschen Vor-Ort-Apotheken entwickeln könnte.

2021 könnte durchaus ein Jahr des entscheidenden Wandels werden. Der OTC-Versand nimmt weiter an Fahrt auf, die Umsätze in deutschen Apotheken stagnieren in diesem Bereich. Das ist durchaus auch Corona und den Einschränkungen geschuldet. Man kann feststellen, dass sich das Patientenverhalten geändert hat. Die Bequemlichkeit der Kunden und das Bestellverhalten zu Gunsten der Versender nimmt zu, obwohl die deutschen Apotheken mit einer Kommunikationsoffensive die Vorteile der Vor-Ort-Apotheke sehr deutlich propagieren. Das zu verstärken, wird eine zentrale Aufgabe des laufenden Jahres sein. Eine weitere große Unbekannte ist die künftige Abwicklung der E-Rezepte mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Auch hier stehen die Versender Gewehr bei Fuß und hoffen auf ein sattes Umsatzplus.

Ziel muss es sein, weiterhin mit Nachdruck auf die freie Apothekenwahl in diesem hochsensiblen und existenzwichtigen Sektor zu dringen. Es wird weiter darauf ankommen, die von der Politik zugesagten honorierten Dienstleistungen mit Leben zu erfüllen. Das wird in Zukunft ein wichtiges Standbein für die Apothekenbetriebe werden. Impfungen in Apotheken, die derzeit im Modellversuch in einigen Regionen laufen, werden dabei nur ein erster Anfang sein.