Aktuelle Themen

ÖGK & Entwicklung des Arzneimittelmarktes 2020

 

Gesundheitspolitik & Österreichische Gesundheitskasse

Das wichtigste Prinzip der österreichischen Gesundheitspolitik ist, für alle Einwohnerinnen und Einwohner – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, sozialem Status oder Einkommen – den  gleichen, zielgruppengerechten und barrierefreien Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung zu sichern1. Doch stehen bei gesundheitspolitischen Entscheidungen zu oft die Interessen von Politik, Kostenträgern und Ärzten und nicht die Bedürfnisse der Patienten im Mittelpunkt.

Um diesem Prinzip auch künftig gerecht zu werden, geht gerade eine Reform im Gesundheitswesen vonstatten, die u.a. eine Anpassung der Leistungen über die Bundesländergrenzen hinweg vorsieht: Die Umwandlung der Gebietskrankenkassen zu einer österreichischen Gesundheitskasse. Seit Jänner 2020 sind 7,2 Millionen Menschen in Österreich bei einer einzigen, gemeinsamen Krankenkasse versichert, die somit eine der größten Krankenversicherungen Europas ist2. Durch den demografischen Wandel und das stetige Bevölkerungswachstum wird die Anzahl der Versicherten weiter zunehmen. Dies führt natürlich auch zu einer Ausweitung des pharmazeutischen Marktes.

 

Entwicklung des Arzneimittelmarktes

Gemeinsam mit Pharmig, FOPI, FCIO und Apothekerverband hat IQVIA in einer Pressekonferenz im November 2019 gezeigt, dass der Markt in den nächsten fünf Jahren – bis 2023 – moderat wachsen wird. Die Prognose zeigt bis zum Jahr 2023 ein reales jährliches Wachstum des erstattungsfähigen Marktes von durchschnittlich +1,5%3 und das ohne Berücksichtigung der EU-Durchschnittspreis-Entwicklung, der Preissenkungsdynamik im Wettbewerb, die unter die gesetzlich vorgeschriebene gehen kann sowie individueller Hersteller-Rabatte, wie z. B. Preismodelle. Preismodelle führen zu einer zunehmenden Undurchsichtigkeit der europäischen Arzneimittelpreise und werden zwischen dem Hauptverband und dem vertriebsberechtigten Unternehmen vereinbart. Mitte 2019 befanden sich im Erstattungskodex knapp 150 Handelsformen, die einem Preismodell unterlagen.

Effekte der gesetzlichen Preisregelungen der ASVG Novelle aus 2017, die die Preisbildung von Generika und Biosimilars regulieren, sowie das Preisband, generieren bis 2023 reale negative Preiseffekte von knapp einer Milliarde Euro3. Diese Preiseffekte übersteigen den Mehraufwand für Innovationen. Somit wäre der Markt ohne Innovationen trotz Bevölkerungszunahme, steigender Lebenserwartung, früherem und verbessertem Therapieeinsatz rückläufig3.

Zusätzlich ist zu beobachten, dass die Anzahl der Arzneimittel, deren Krankenkassenpreise unterhalb der Rezeptgebühr liegen durch eine jährliche Anhebung der Rezeptgebühr immer weiter ansteigen und und somit auch nicht in die Beurteilung einer Rezeptgebührenbefreiung bei einer Überschreitung der Rezeptgebührenobergrenze5 einfließen. IQVIA hat in einer Studie im September 2019 gezeigt, dass der Krankenkassenpreis von 45,7 % aller erstattungsfähigen Arzneimittelpackungen, berechnet am Absatz, unter der Rezeptgebühr liegt und privat bezahlt wurde, falls der Patient nicht rezeptgebührenbefreit war4. Mit Anstieg der Rezeptgebühr in 2020 um 20 Cent – von € 6,10 auf € 6,305 – wird sich der Anteil der Arzneimittel, deren Krankenkassenpreise unterhalb der Rezeptgebühr liegen, erheblich erhöhen. IQVIA wird im Februar zu dieser Entwicklung eine aktuelle Studie veröffentlichen.

 

Aktuelle Herausforderungen

Seit Mitte 2015 dürfen rezeptfreie Medikamente über das Internet verkauft werden. Mitte 2018 konnte IQVIA im Zuge einer telefonischen Omnibusbefragung der GfK Österreich zeigen, dass bereits jeder zehnte Österreicher Nahrungsergänzungsmittel und rezeptfreie Arzneimittel online bestellt und der Versandhandel somit an Bedeutung wächst6.

Seit Jahren ist in den Medien auch die Rede von der Liberalisierung des Apothekenmarktes. 2018 hat die Bundeswettbewerbsbehörde eine Empfehlung zur Beendigung des Apothekenmonopols ausgesprochen, was zu besserer Beratung und längeren Öffnungszeiten führen könnte7. Der Drogeriemarkt dm hat bereits mehrfach – bis dato aus formalen Gründen erfolglos – Klage beim Verfassungsgerichtshof 8 gegen das Apothekenmonopol eingebracht. Apothekerkammer und Verband der Arzneimittel-Großhändler finden natürlich keinen Gefallen an den zunehmenden Liberalisierungs-Tendenzen und warnen vor einer Verschlechterung der Medikamentenversorgung.

Ohnehin nehmen die Fälle, in denen Arzneimittel nicht oder nur eingeschränkt lieferbar sind, in letzter Zeit zu. In Österreich waren Ende des Jahres 2019 im Vertriebseinschränkungsregister des BASG rund 230 Arzneimittel als nicht bzw. eingeschränkt lieferbar gemeldet9. Unterschiedlichste Ursachen sind für die Entstehung von Lieferengpässen verantwortlich: So gibt es oft für einzelne Wirkstoffe nur mehr einige wenige Hersteller. In 2018 wurde das Blutdruckmittel eines chinesischen Herstellers wegen Verunreinigung zurückgerufen. Die Hälfte der auf dem Markt befindlichen Valsartan-Arzneimittel war betroffen10. Aber auch Parallelexport kann die lokale Medikamentenversorgung gefährden. Dabei werden Arzneimittel, die in Österreich günstiger als in anderen EU-Ländern sind, in Österreich erworben und in einem höherpreisigen EU-Land weiterverkauft.

 

Ausblick auf das Jahr 2020

Das Jahr 2020 bringt auch eine neue Regierung mit sich. Das neue Regierungsprogramm strebt im Bereich des Gesundheitssystems ‚optimale Bedingungen‘ an. Dies inkludiert die Weiterentwicklung einer abgestimmten Versorgung im niedergelassenen, ambulanten, tagesklinischen und stationären Bereich sowie den Ausbau von Transparenz und Qualität (u.a. eine unabhängige Qualitätssicherung, die Bekämpfung von Parallelexporten, Überlegungen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung)11. Neben einem starken Schwerpunkt auf Prävention zielt die Regierung auch auf Fortschritte in der Digitalisierung im Gesundheitsbereich ab, um einen einfacheren und verbesserten Zugang zu medizinischen Leistungen zu ermöglichen11.

 

IQVIA beobachtet für Sie die Entwicklungen des Gesundheits- und Arzneimittelmarkts und liefert Ihnen dazu aufbereitete Studien. Diese unterlegen wir mit umfassenden Analysen, um Ihnen echten Mehrwert zu bieten. In unseren Newslettern finden Sie dazu laufend Informationen.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Mag. Stefan Baumgartner

IQVIA Marktforschung GmbH
Stella-Klein-Löw-Weg 15, Haus B, 5. Stock, A-1020 Wien
E-Mail: stefan.baumgartner@iqvia.com

 

Referenzen:

  1. https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=636
  2. https://www.gesundheitskasse.at
  3. https://www.pharmig.at/media/2334/pharma-forecast-austria-2023_praesentation_iqvia_ihs.pdf
  4. http://www.thehealthcareprof.com/rezeptgebuehren_sep19/
  5. https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.837704
  6. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180911_OTS0146/studie-zum-stellenwert-des-online-versandhandels-bei-arzneimitteln
  7. https://www.bwb.gv.at/fileadmin/user_upload/Veroeffentlichungen/Gesundheitsbranchenuntersuchung_Apothekenmarkt_BWB_DE.pdf
  8. https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_G_49-2016_DM_Apotheken_Entscheidung.pdf
  9. https://medicineshortage.basg.gv.at/vertriebseinschraenkungen/faces/adf.task-flow?_id=main-btf&_document=WEB-INF/main btf.xml&_afrLoop=3266243937239047&_afrWindowMode=0&_afrWindowId=null
  10. https://www.basg.gv.at/marktbeobachtung/amtliche-nachrichten/detail/rueckruf-von-arzneimitteln-mit-wirkstoff-valsartan-vom-chinesischen-hersteller-zhejiang-huahai-pharmaceutical?sword_list%5B0%5D=F_A&no_cache=1
  11. https://www.dieneuevolkspartei.at/Download/Regierungsprogramm_2020.pdf  https://gruene.at/themen/demokratie-verfassung/regierungsuebereinkommen-tuerkis-gruen